Care

Living in an Uncaring World: Wir leben in einem neoliberalen Kapitalismus, bei dem Gewinnstreben mehr und mehr als Ziel nicht nur des Wirtschaftens, sondern auch des eigenen Lebens angesehen wird. Das bedeutet, dass die Interessen des Kapitals über denen der Wohlfahrt stehen. Das soziale Miteinander ist der Wettbewerb.

Self-Care: Das neoliberale Subjekt bezieht Care in erster Linie auf sich selbst, indem es auf Selbstoptimierung zielt: Resilienz, Wellness und mentale Selbstverbesserung werden durch eine Self-Care-Industrie unterstützt, die auf subjektives Wohlfühlen und individuellen Konsum abzielt.

Carelessness: Wenn wir von Katastrophen, Flüchtlingen oder der steigenden Zahl Wohnungsloser erfahren, erreichen wir in unserem Alltagsleben ein banales Level an Carelessness – wir haben uns eine gedankenlose, zutiefst banale Routine des „Not Caring“ angewöhnt.

Carewashing: In den letzten Jahren wurde ein Mangel an Care im Sinne eines sozial verantwortungsvollen, uneigennützigen Miteinanders immer deutlicher. Dieses neue Bewußtsein kompensiert der neoliberale Markt mit seinen eigenen Mitteln durch „Carewashing“, indem sich Unternehmen oder Marken als besonders verantwortungsvoll präsentieren.1

Care-Arbeit, die Tätigkeiten des Sorgens und Sichkümmerns, wurden und werden stark als persönliches oder familiäres Thema verstanden: Die Betreuung von Kindern oder Familienangehörigen wurde und wird als unbezahlte Hausarbeit den „unproduktiven“ Arbeiten von Frauen zugeordnet. Bezahlte Care-Arbeit, weiterhin überwiegend von Frauen geleistet, wird mit niedrigem Lohn und niedrigem sozialem Prestige assoziiert, wobei zunehmend Migrantinnen aus ärmeren Ländern die steigende Nachfrage aus Ländern des globalen Nordens bedienen.

Formen des Carings: Neben der physischen Pflege des „Caring for“ unterscheidet Joan Tronto „Caring about“, womit emotionale Investitionen gemeint sind, die eine Gesellschaft in Nachbarschaften, sozialen Netzwerken oder Schulen etc. nötig hat. „Caring with“ dagegen meint politische Mobilisierung, mit der die Welt verändert werden soll – die erste Aufgabe eines Staates sollte es sein, eine Infrastruktur für Universal Care aufzubauen, einen „Caring State“.2

Caring und Sharing sind eng miteinander verbunden: Nachbarschaftliche Beziehungen, Plattformen für kostenloses Foodsharing oder Kleidertausch werden als Internetplattformen entwickelt und gepflegt; öffentliche Bibliotheken können als „Third Place“ Treffpunkte oder als Library of Things oder Seeds zur Tausch- oder Pflanzensamenbörse werden; auf öffentlichen Plätzen kann gemeinschaftlich Gemüse angebaut werden und vieles mehr („Right to the City“; H. Lefebvre).

Lit.:

The Care Collective (Andreas Chatzidakis, Jamie Hakim, Jo Littler, Catherine Rottenberg, and Lynne Segal): The Care Manifesto. The Politics of Interdependence. London / New York 2020.

Puig De La Ballacasa, Maria: Matters of Care. Speculative Ethics in More Than Human Worlds. Minneapolis / London 2017.

Tronto, Joan: Caring Democracy. Markets, Equality, Justice. New York 2013.

  1. Ähnlich wie „Greenwashing“ funktioniert „Carewashing“, indem eine Marke oder ein Unternehmen soziale Verantwortung besonders betont, vgl. The Care Collective (Andreas Chatzidakis, Jamie Hakim, Jo Littler, Catherine Rottenberg, and Lynne Segal): The Care Manifesto. The Politics of Interdependence. Lonson / New York 2020, S. 11.

  2. Tronto, Joan: Caring Democracy. Markets, Equality, Justice. New York 2013; vgl. zudem für Canada das Leap-Manifesto: https://leapmanifesto.org/en/the-leap-manifesto/ (Zugriff: 20.09.2022)